Samstag, 29. März 2008

Interview mit Prof. Müller Oerlinghausen (Focus Nr. 10 /2008 3.3.2008)

Die Studie von Kirsch et al. über die Wirkungslosigkeit von Antideressiva bei leichten und mittelschweren Depressionen (siehe (1) ) hat in der Fachwelt hohe Wellen geschlagen.

Nun müssen sich die Aufsichtbehörden fragen lassen, warum die SSRI-Antidepressiva Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre überhaupt zugelassen wurden. Denn die Studien, die Kirsch et al. näher untersucht hatten, waren den Aufsichtbehörden bekannt.


In dem Interview mit Prof. Müller-Oerlinghausen (siehe auch http://www.focus.de/gesundheit/arzt_medikamente/suizidgefahr_aid_261695.html) , mit dem ich seit einiger Zeit in Kontakt bin, wird gesagt, dass die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft schon seit 2006 bei leichten und mittelschweren Depressionen nicht mehr die Behandlung mit Antidepressiva empfiehlt. Auch hat die Arzneimittelkommission schon im Herbst 2004 im Ärzteblatt vor den Suizidrisiken von SSRI-Antidepressiva gewarnt und empfohlen, hierauf auch in der Fachinformation und in dem Beipackzettel hinzuweisen (siehe 2).

Dort heißt es u.a.:


Der UAW-Ausschuss kam zum Ergebnis, dass insbesondere in Verbindung mit den bei SSRI besonders stark ausgeprägten exzitatorischen Nebeneffekten ein Risiko suizidaler Handlungen grundsätzlichund unabhängig vom Alter angenommen werden muss, das durch entsprechende Kasuistiken illustriert wird. Deshalb sollten die Fachinformationen und Beipackzettel von SSRIs und verwandten Substanzen, wie z. B. Venlafaxin, in adäquater und einheitlicher Form um diese Information ergänzt werden. Patientensollten über diese Möglichkeit informiertund zu Beginn der Therapie insbesondere bezüglich des Auftretens psychomotorischer Erregungssymptome wie Unruhe, Angst, Schlaflosigkeit, verstärkte Reizbarkeit, Aggressivität oder auch Ich-fremder dranghafter Suizidideen mitpotenziell psychotischen Erlebnissen regelmäßig kontrolliert werden; ggf. ist die Medikation unter entsprechender Kontrolle abzusetzen bzw. die Dosis zu reduzieren.


Doch erst Anfang September 2005 wurden die Hersteller von der deutschen Aufsichtsbehörde BfArM dazu verpflichtet auf das erhöhte Suizidrisiko bei Kindern und Jugendlichen hinzuweisen. Für meine Frau kamen diese Warnungen zu spät! Sie ist am dem Tag gestorben, als die europäische Aufsichtsbehörde EMEA ihren Abschlußbericht zum Suizidrisiko der SSRI fertiggestellt hatte: Es war der 21.04.2005, ein sonniger Tag, der mein Leben für immer verändert hat.

Quellenangaben:
  1. http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371%2Fjournal.pmed.0050045
  2. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=43560 bzw als pdf: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=43560



Donnerstag, 27. März 2008

Meine Geschichte im Focus (17.02.2008)


Anfang Februar rief mich jemand vom Focus-Magazin an, ob ich mich für ein Interview mit Bild zu Verfügung stellen würde, um meine Geschichte über den Suizid meiner Frau und meinen juristischen Bemühungen zu erzählen.

Ich willigte ein, denn nur wenn die Öffentlichkeit hiervon erfährt können künftige Tragödien, wie die meiner Frau vermieden werden. Nur wer auch über die Risiken informiert ist, kann für sich die beste Entscheidung treffen.
Meine Frau hatte sich in Zeitschriften und auf deutschsprachigen Internet-Seiten über die Wirkungsweise und Risiken der SSRI-Antidepressiva (SSRI steht für Selektive Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer) informiert. Doch damals wurde in allen deutschen Medien behauptet, die SSRIs seien gut verträglich und sicher. Von Risiken war nicht die Rede, dass haben die Pharmaunternehmen durch bezahlte Experten - Prof. Schönhöfer vom pharmakritischen arznei-telegramm bezeichnet sie als "Mietmäuler" - und Ghostwriter verhindert. Da es sich bei dem Serotonin , deren Level im Gehirn die SSRIs erhöhen sollen, auch um eine natürliche Substanz handelt, die überall im Körper vorhanden ist, erschien meiner Frau und mir das Medikament unbedenklich. Ein fataler Irrtum! Die weithin verbreitete Serotonin-These, dass Depressionen, ähnlich wie Diabetis, eine Mangelerkrankung ist, und mit zusätzlichem Serotonin der Zustand verbessert werden können, klingt auch einfach und verlockend. Zu einfach und auch falsch, denn bis heute konnte keine Studie belegen, dass depressive Patienten zu wenig Serotonin im Körper haben oder mit zusätzlichem Serotonin sich die depressiven Beschwerden verbessern (siehe 1). Aber die Serotonin-These eignet sich sehr gut zu Marketingzwecken und nur darauf kam es Pfizer und den anderen Pharmafirmen an! Noch heute findet sich auf der Web-Seite von Pfizer diese Erklärung für die Wirkungsweise von Zoloft, auch wenn inzwischen in einer etwas abgeschwächten Form.
Die Risiken werden dort aber weiterhin verschwiegen! Dafür muss man schon in den Beipackzettel schauen. Doch dazu später an anderer Stelle mehr.

Auch wenn ich bisher mit meinen juristischen Schritten keinen Erfolg hatte, so möchte ich jeden ermutigen, der ähnliches erlebt hat, ebenfalls juristische Maßnahmen zu ergreifen und auch in die Öffentlichkeit zu gehen. Denn wir haben in Deutschland die Gesetze, die uns vor gefährlichen Medikamenten schützen, und die Hersteller verpflichten, über alle Risiken schnellstmöglich zu informieren. Das wurde bei Zoloft und den anderen SSRIs jahrelang nicht getan. Deswegen hatte ich gegen Pfizer Strafanzeige gestellt wegen fahrlässiger Tötung und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, die von der Staatsanwaltschaft als unzulässig abgewiesen wurde. Doch davon lasse ich mich nicht entmutigen!

Quellenangaben:
  1. Serotonin and Depression: A Disconnect between the Advertisements and the Scientific Literature. Jeffrey R. Lacasse, Jonathan Leo, Public Library of Science http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371/journal.pmed.0020392

Montag, 24. März 2008

Studie bestätigt Zweifel an der Wirksamkeit von Antidepressiva


Am 26.02.2008 erschien in der Public Library of Science ein Artikel von Kirsch et al. (siehe [1]) zur Wirksamkeit von SSRI- Antidepressiva gegen Depressionen. Kirsch hat in der Studie die Daten der Studien, die der amerikanischen Aufsichtsbehörde FDA für die Zulassung zwischen 1987 und 1999 eingereicht wurden eingehend mit Methoden der Metaanalyse untersucht. Es konnte bei leichten und mittelschweren keine im Vergleich mit Placebos höhere Wirksamkeit der SSRI- Antidepressiva nachgewiesen werden. Nur bei sehr schweren Depressionen konnte ein leicht positiver Effekt festgestellt werden, den Kirsch aber auf die nachlassende Wirkung des Placebo-Effekts und nicht auf die Wirkung der Medikamente zurückführt.
Doch die mangelnde Wirksamkeit der SSRI- Antidepressiva wie ZOLOFT, Prozac (in Deutschland vertrieben unter dem Namen Fluctin) und Paxil ist nicht neu! Schon seit längerem wird von kritischen Experten die Wirksamkeit bei nur leichten und mittleren Depressionen bezweifelt. Schon 2005 erschien im arznei-telegramm ein Artikel (siehe [2]), in dem nachgewiesen wurde, dass die SSRI- Antidepressiva kaum wirksamer sind als Placebos. Doch warum wurden diese Medikamente dann überhaupt von den Aufsichtsbehörden zugelassen? Waren den Behörden diese Studien nicht bekannt?
Quellenangeben:
  1. http://medicine.plosjournals.org/perlserv/?request=get-document&doi=10.1371%2Fjournal.pmed.0050045
  2. Antidepressiva: Lebensgefährliche Placebos?, arznei-telegramm, 5/2005, 36 Jahrgang, 13.05.2005, Seite 45-46.